Ganz unbewusst? Zumindest ohne böse Absicht klebtest du ätzenden Frust an mich. Dieser übel riechende Schleim von Empfindungen lähmt mich und enttäuscht mich fast. Ich will dir den Müll nicht zurückgeben. Solch Ekel zu spüren, brauchen keine Zwei. Nicht einmal zeigen will ich ihn dir, denn ich weiß, du hast ihn nicht extra erschaffen. Wohin damit also?
Es bleibt nicht viel Zeit, du bist schon bald hier. Hoffnungslos zerre ich an diesem widerspenstigen Gefühl und drehe mich um die eigene Achse, auf der hastigen Suche nach einem schlauen Versteck. Ich werde nicht fündig, denn du siehst mich ja von allen Seiten! Aber du sollst ihn nicht entdecken! Mir bleibt nichts anderes übrig als auch all die anderen Male: Mein Magen rebelliert. Ich werde ihn wohl schlucken müssen.
Zitternd führe ich das zickende Gefühl vor mein Gesicht, um ihn gleich würgend zu essen. Ich werde das schon verdauen können, sage ich mir, er wird sich nicht wehren, nicht giften, nicht ätzen. Als ich resigniert den Mund öffne, erhalte ich deine Nachricht: Dass du heute nicht mehr kommst.
Ein kurzer Moment des Schocks. Dann wächst der Frust gewaltig an, beginnt zu kochen und zu zucken, droht mich bald völlig zu bedecken. Wie unfair, dass ich allein mit deinem Schleim mich schlagen muss! Jetzt, jetzt wünschte ich ihn dir zurückzugeben! Dich zu bekleben, mit deinem und mit meinem Müll! Doch leider müssten deine Kämpfe dann auch meine sein, denn ich hätte um den Ekel vor dem Frust gewusst.
So groß, so heiß, so eklig und so klebrig, den will ich, kann ich doch nicht schlucken! Mein Inneres würde von ihm gefressen! Ich muss ihn anders loswerden. Mein Vorteil muss aus deiner Frechheit sein: Die zusätzliche Zeit, die ich der Entsorgung widmen kann.
Vorsichtig erleichtert strecke ich den brennenden Frust so weit weg von mir wie möglich. Nur Geduld. Ich starre ihn an. Versuche, ihn durch telepathische Kräfte zu schrumpfen. Geh weg von mir! Verzweiflung schleicht sich an. „Lass mich los!“, schreie ich stumm. Erschöpft lasse ich mich fallen und lasse alles sein. Atme. Ruhig. Der Frust hört auf zu zucken, bewegt sich immer langsamer. Er pulsiert im selben Rhythmus, wie die Luft in meine Lunge strömt. Er wird kleiner und kleiner. Er stinkt nicht mehr. Er klebt nicht mehr. Ich atme. Ruhig.
Langsam drehe ich meine Hand und lasse den Frust los. Wie in Zeitlupe löst er sich von meiner Haut und nimmt im Fall eine pastellne Farbe an. Mit einem sanften Platschen landet er auf meinem Schuh. Der Fleck stört mich nicht, stelle ich fest. Dort darf er bleiben. Bis - vielleicht - die mickrigen Überreste in Form eines lachenden Seitenhiebes ihre Schöpferin treffen. Bilde ich mir das nur ein, oder ergänzt der Fleck sogar das Muster? Erleichtert - und ein bisschen beschämt - reiße ich den Blick los. Endlich rieche die süße Liebe zu dir wieder. Endlich freue ich mich, dich zu sehen.